Von Menschenrechten,
Chancengleichheit &
Staatenlenkerinnen
GESELLSCHAFT & POLITIK Das Ziel ist noch fern: Gleichberechtigung bleibt eine weitverbreitete Forderung in Politik und Gesellschaft. In früherer und jüngster Zeit erzielten engagierte Vorkämpferinnen und Vorkämpfer immer wieder wichtige Etappenziele.
VIGDÍS FINNBOGADÓTTIR
EINE FRAU KANN DAS!
Als Frau, geschieden, mit einer Adoptivtochter, gegen drei profilierte männliche Mitbewerber: Nach ihrer Ernennung zum weltweit ersten demokratisch gewählten Staatsoberhaupt im Jahr 1980 attestierte die neue Frau an der Spitze Islands ihren Landsleuten ihre Bewunderung für den Schneid, eine Frau gewählt zu haben.
Schon 1975 hatten Islands Frauen demonstriert und gegen das Patriarchat aufbegehrt – und mit ihrem nur eintägigen Streik den Grundstein für die Präsidentschaftskandidatur von Vigdís Finnbogadóttir gelegt. Was heute selbstverständlich erscheint, wurde im Vorfeld ihrer Wahl öffentlich ausgiebig diskutiert: Die Ermangelung eines Ehemannes an der Seite des potenziellen neuen Staatsoberhauptes blieb stets Thema. Nicht jedoch für Finnbogadóttir selbst, die erklärte, man solle sie wählen, weil sie ein Mensch sei. Schließlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, eine Frau genauso wie einen Mann wählen zu können. Ihrem knappen, aber historischen Sieg 1980 folgten noch drei weitere Amtszeiten bis 1996. „Vigdis“, wie sie auf Island jeder nannte, gilt bis heute als herausragende Botschafterin ihres kleinen Landes.
ELEANOR ROOSEVELT
FIRST LADY DER MENSCHENRECHTE
Es war eine weiter Weg vom schüchternen Mädchen zur zeitweise berühmtesten und einflussreichsten Frau der Welt. Eleanor Roosevelt hat ihn selbstbestimmt zurückgelegt und dabei ganz nebenbei die Rolle der First Lady im Weißen Haus revolutioniert.
Sie ging immer einen Schritt weiter: Bereits 1932 ist Eleanor bei der Amtseinführung ihres Mannes Franklin D. Roosevelt als US-Präsident weit mehr als die First Lady an seiner Seite. Zwei Tage später gab sie zum ersten Mal ihre wöchentliche Pressekonferenz, zu der ausschließlich Reporterinnen zugelassen waren. Was zur Folge hatte, dass alle Zeitungen zumindest eine weibliche Reporterin einstellen mussten. Ein typisches Vorgehen für sie. Noch bevor ihr Mann Präsident wurde, reiste Eleanor Roosevelt während dessen Polioerkrankung an seiner Stelle durchs Land, redete auf Parteiversammlungen und hielt so den Namen Roosevelt in der Öffentlichkeit präsent. Ein enger Berater der Familie hatte sie in die Mechanismen der Politik eingeführt – bis dato unüblich, aber überaus nützlich: für ihre Rolle als starke First Lady des Landes und darüber hinaus. Nach dem Tod ihres Mannes machte der neue Präsident Harry S. Truman die nun 62-Jährige am Gründungstag der Vereinten Nationen zur offiziellen Delegierten der USA. Überzeugt von der Wichtigkeit des Völkerbundes wurde sie Vorsitzende der Kommission für Menschenrechte und gehörte zu den Verfassern der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Auch nach deren offizieller Annahme 1948 zählte die „First Lady of the World“ bis an ihr Lebensende 1962 zu einer ihrer vehementesten Verfechterinnen.
LOUISE OTTO-PETERS
ANSCHREIBEN GEGEN FRAUEN-DISKRIMINIERUNG
Als Louise Otto 1819 zur Welt kommt, macht sich noch niemand über das weibliche Stimmrecht Gedanken. Und obwohl die Tochter aus gutem Haus finanziell unabhängig ist, hat sie Größeres im Sinn. Die Kraft der Worte lässt sie zu einer der wichtigsten Protagonistinnen der Revolution von 1848 und Initiatorin der organisierten Frauenbewegung werden.
Wie üblich für Mädchen im 19. Jahrhundert, blieb der wissbegierigen Juristentochter aus Meißen eine höhere Bildung verwehrt. Zeit ihres Lebens bildete sie sich deswegen autodidaktisch fort. Dem Entschluss, selbst einem Beruf nachzugehen, folgten schnell Taten. Louise Otto wurde Schriftstellerin und eine kritische Beobachterin ihrer Zeit, die sich auch früh politisch engagierte. In ihren Romanen thematisierte sie insbesondere die Armut der Arbeiterschaft und erregte damit viel Aufsehen. Die öffentliche Bekanntheit nutzte sie, um eine Lanze für die Rechte der Frauen zu brechen. Im Zuge der Deutschen Revolution 1848 startete sie eine eigene Frauen-Zeitung mit der damals unerhörten Parole „Die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates ist nicht allein ein Recht, sie ist eine Pflicht der Frauen.“ Schnell wurde die Zeitung als revolutionär eingestuft und verboten. Ihre politischen Ziele verlor Otto-Peters aber auch während der Restauration nicht aus den Augen. Wenige Jahre später gründete sie den Leipziger Frauenbildungsverein und gab damit den Startschuss für die organisierte Frauenbewegung in Deutschland.
NELSON MANDELA
DER GROSSE VERSÖHNER
Schon zu Lebzeiten galt der Freiheitskämpfer als Gigant der Geschichte und Staatsmann mit einer besonderen Botschaft der Toleranz. Trotz jahrzehntelanger Gefangenschaft trug er mit seiner außergewöhnlichen Ausstrahlung entscheidend zum friedlichen Ende der Apartheid bei.
„Madiba Magic“ nannten die Südafrikaner den seltsamen, von Mandela ausgehenden Zauber – nach seinem Clanund Ehrennamen Madiba. Als Rolihlahla „Nelson“ Mandela 1918 im südafrikanischen Homeland Transkei geboren wurde, war im Land von einem Zauber nichts zu spüren. Seit der Kolonialisierung durch Briten und Niederländer wurde die mehrheitlich schwarze Bevölkerung des Landes von einer Minderheit weißer Siedler kontrolliert. Schon mit der Gründung der Südafrikanischen Union 1910 begann die Rassendiskriminierung, die 1948 gesetzlich verankert wurde und das Apartheid-Regime etablierte. Aber schon 1944 schloss sich der damals 26-Jährige Jurist Nelson Mandela dem African National Congress (ANC) an und engagierte sich dort für die Rechte der schwarzen Bevölkerung. Weil er zunächst den bewaffneten Kampf gegen die Apartheid unterstützt hatte, wurde Mandela 1964 zu lebenslanger Haft verurteilt. In den folgenden 26 Jahren wurde er zur Symbolfigur und zum Versöhner, der das Ende des Apartheid-Regimes einläutete und 1990 – gerade aus der Haft entlassen – in dramatischen Gesprächen den unblutigen Machtwechsel von der weißen Minderheit zur schwarzen Mehrheit ermöglichte. Nur vier Jahre später wurde Mandela in freien und demokratischen Wahlen mit überwältigender Mehrheit zum ersten schwarzen Präsidenten seines Landes gewählt.